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Aus der Offenbach Post:
Jetzt erhalten die Kickers doch ein neues Stadion – falls das Lokalparlament zustimmt. Erster Schritt: Stadt und Verein gründen neue Gesellschaften.
Offenbach – So viel Aufmerksamkeit wünscht sich der Offenbacher Oberbürgermeister Horst Schneider für jede Pressekonferenz: Hessen-Fernsehen, drei Radiosender und mehrere Tageszeitungen entsenden ihre Reporter ins Rathaus.

Aber nicht alle Tage hat der Verwaltungschef so Wegweisendes zu verkünden. In diesem Fall den endgültigen Start für ein neues Stadion am Bieberer Berg – vorbehaltlich der Zustimmung durch das Stadtparlament. Doch da hat Schneider offenbar gelernt, spricht von – für Offenbacher Verhältnisse – „ungewöhnlichen Vorabstimmungen“ mit nahezu allen Fraktionen: „Es müsste der Himmel zusammenbrechen, wenn die Vorlage nicht mit breiter Mehrheit angenommen wird.“ OFC-Vizepräsident Thomas Kalt nickt zustimmend und siegessicher. Kein Wunder. Für den Traditionsverein endet damit eine schier unendliche (Leidens-)Geschichte.

Das Stadionprojekt war und ist umstritten – gerade in einer Kommune, in der seit vielen Jahren der Sparzwang die oberste Prämisse ist. Selbst in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP gab es entschiedene Gegner der Absicht, mit öffentlichen Geldern den Profisport zu subventionieren. Und nun die Kehrtwende? „Mit Ausdauer, Geduld und guten Argumenten haben wir die Skeptiker überzeugt“, sagt Horst Schneider, ohne ins Detail zu gehen. Auf die warten an diesem Vormittag übrigens alle vergebens; es gibt keine konkreten Pläne, Gutachten und Zahlen; dafür „konkrete Visionen“.

Kernpunkt zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Konstrukt, das den Kickers die Zukunft sichern soll: Die neue „Stadiongesellschaft Bieberer Berg mbH Offenbach“ erwirbt als Enkelin der Stadtwerke Holding von der Stadt die Liegenschaft an der Bieberer Straße. „Sie fungiert als Bauherrin und Betreiberin“, erläutert Stadtwerke-Prokurist Dieter Lindauer. Der OFC gliedert parallel seine Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft aus, was den Richtlinien der Deutschen Fußballbunds (DFB) entspricht. Die neue OFC-Gesellschaft schließt dann einen Mietvertrag mit der Stadiongesellschaft. Die Vorteile können sicher Juristen und Steuerberater erläutern, den gemeinen Fußball-Anhänger ist das egal.

Und spätestens jetzt offenbaren die Verantwortlichen doch Details: Etwa 18 000 Zuschauer soll das Rund als so genanntes Ein-Rang-Stadion fassen – vollständig stützenfrei überdacht. Davon sind gut 7 000 Stehplätze auf der Gegengeraden vorgesehen – ein Zugeständnis an die Fans aus dem Block 2. Eine Option ist die Erweiterung um 3000 Sitzplätze, die als Balkone an die Konstruktion zu hängen wären.

Als „Fußabdruck“ entsteht der Neubau exakt am Ort der bekannten Kultstätte, allerdings rücken die Tribünen näher an das Spielfeld heran. Baubeginn soll im Sommer 2010 sein. Neubau und Spielbetrieb laufen parallel. Erstes Heimspiel im Neubau: Saison 2011/12 – „dann hoffentlich in der Zweiten Liga“, gibt sich Oberbürgermeister Schneider auch sportlich optimistisch.

Die Zuversicht scheint begründet, hat man sich die Arbeit eines Experten gesichert – Dr. Claus Binz, Geschäftsführer des Instituts für Sportstättenberatung aus Bad Münstereifel. Der sagt: „Das Planungskonzept für das Stadion Bieberer Berg, der dritten Stadion-Generation für 3. und 2. Liga, stellt eine innovative und funktionale Lösung mit einem guten Preis-/Leistungsverhältnis dar, die den Rahmenbedingungen des Standortes Offenbach gerecht wird.“ Grundlage der Berechnung sind keine „Traum schlösser“, sondern ähnliche Stadionprojekte bundesweit. Das Institut begleitet die Neubauten in Paderborn und Ingolstadt, plant ein ähnliches Stadion in Koblenz. Vorgesehen ist ein kombinierter Planungs- und Bauwettbewerb.

Die Finanzierung des 25-Millionen-Projekts in Offenbach: 5 Millionen gibt die Stadt als Zuschuss, 5 Millionen steuern die Stadtwerke bei. 15 Millionen sind als Fremdkapital notwendig – Bankdarlehen und besonders Fördermittel. Deren Großteil soll vom Land Hessen kommen.

Natürlich sei daran gedacht, so Dieter Lindauer, ein energieeffizientes Stadion zu bauen: „Solar und Wasser sind immer ein Thema.“ Ein Beispiel: In Freiburg liefern zwei Sonnenkraftwerke im Jahr 146 000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Weitere Einnahmen sind für den Verkauf der Namensrechte sowie durch Veranstaltungen (Vermietung an Firmen, Konzerte) und Werbemaßnahmen im Stadion eingeplant.

Und die Kickers? Die sichern zu, dass sie für ihre zu gründende Gesellschaft eine Million Euro aufbringen können. Zudem zahlen sie pro Jahr 450 000 Euro Miete. Ein Mietzins der für den OFC als „interessant“, für die Stadtwerke als „auskömmlich“ angesehen wird. Gedeckt sind die Abschreibung und Rücklage für Investitionen. Kalt: „Wir zahlen mehr Miete als bisher, können aber unsere Energiekosten um die Hälfte senken.“

Wo die Fußballer das Geld hernehmen, ist Sache des Vereins und seiner Sponsoren. Ganz anders sieht es bei der Stadt aus, die die fünf Millionen an anderer Stelle einsparen muss. „Das habe ich als Planungsdezernent auf meine schmalen Schultern genommen“, sagt Schneider. Kleinere und auch mittelgroße Straßenbauprojekte werden geschoben – als größter Brocken beispielsweise die vorgesehene Umgestaltung des Marktplatzes. „Das war alles schon eingetütet. Da bin ich aber nicht böse drum, da wir gleichzeitig den Wilhelmsplatz umbauen.“