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Aus der Offenbach Post:
Der neue OFC-Trainer Jörn Andersen im Interview: „Bei mir sind alle Spieler wichtig“

Offenbach – Als Stürmer dominant, hart und erfolgreich, als Trainer auf dem Platz laut, engagiert und fordernd, als Interviewpartner offen, überraschend und ehrlich. Jörn Andersen tritt in Offenbach eine schwere Aufgabe an. Mit dem neuen Trainer der Kickers (44, verheiratet, ein 19-jähriger Sohn, eine 16-jährige Tochter) sprachen Jochen Koch und Holger Appel.

Jörn Andersen, Sie waren viele Monate arbeitslos. Wie fühlt sich das an, nur Zuschauer zu sein?
Jörn Andersen: Man kümmert sich wieder viel mehr um die Familie, spielt öfter Golf. Ich habe aber viele Spiele von der Bundesliga bis zur Regionalliga gesehen. Dazu viele Trainingseinheiten bei Schalke 04 unter Mirko Slomka. Das waren Pflichtaufgaben.

Nun sind Sie selbst wieder als Trainer aktiv. Was für ein Trainertyp sind Sie, mehr ein harter Hund oder mehr der Psychologe?
Andersen: Ich kann hart sein, ich kann weich sein. Vor allem bin ich ein Disziplinfanatiker. Ich bevorzuge offensiven Fußball. Klar, das sagen alle Trainer. Aber ich habe das schon in Oberhausen und in Mönchengladbach bewiesen, dass ich das umsetzen lassen kann.

Welcher Trainer hat Sie besonders geprägt?
Andersen: Ich hatte in meiner aktiven Karriere bestimmt 20 Trainer gehabt und habe von jedem das Beste mitgenommen. Dinge, die mir nicht gefallen haben, habe ich schnell vergessen.

Wie lassen Sie sich von Ihren Spielern anreden?
Andersen: Mit Trainer und Sie. Es muss einfach ein gewisser Abstand sein.

Setzen Sie auf Führungsspieler? Wer ist bei Ihnen gesetzt?
Andersen: Bei mir sind alle Spieler wichtig. Ich vergleiche das mit einem Puzzle. Es gibt große und kleine Teile. Aber nur wenn alle passen, ist das Puzzle fertig.

In Offenbach wurde zuletzt unter Wolfgang Frank eher defensiv gespielt. Sie wollen offensiv spielen lassen. Aber der Kader wurde für das Spielsystem von Frank zusammengestellt. Wie lässt sich das vereinbaren, zumal der kreative Mann im Mittelfeld fehlt?
Andersen: Meine Philosophie werde ich umsetzen können, ob sie zu 100 Prozent klappt, ist eine andere Frage. Ich habe gerne schnelle Spieler, die mit dem Ball umgehen können. Davon haben wir welche. Die müssen jetzt wissen, wann sie wie wo laufen müssen. Das versuche ich zu vermitteln.

Ihre erste Trainerstation in Deutschland war Rot-Weiß Oberhausen in der 2. Liga. Wie war diese Zeit für Sie?
Andersen: Interessant, lehrreich, spannend.

In Ihrem ersten Jahr hat Oberhausen lange die Tabelle angeführt, den Aufstieg in die Bundesliga dann um einen Punkt verfehlt. Woran lag das?
Andersen: Ich habe mir viele Gedanken gemacht. Ich glaube, es lag damals am Wettskandal.

Wie meinen Sie das?
Andersen: Meine Mannschaft war intakt, stand lange auf einem Aufstiegsplatz und verlor auf einmal fast jedes Spiel gegen kleinere Gegner. Dann haben wir zu Hause noch gegen Alemannia Aachen einen Elfmeter gegen uns bekommen, der nie einer war und verlieren. Da sind Sachen, die waren unfassbar.

Harter Tobak…
Andersen: Ja, aber im kleinen Oberhausen haben die Profis wenig Geld verdient. Wenn sie 10000 Euro geboten bekommen haben, um Spiele zu verlieren, sind sie sicher empfänglicher als in anderen Vereinen. Der Staatsanwalt hat nach Beweisen gefragt. Ich kann das leider nicht beweisen, werde es auch nie können. Aber komisch war das schon.

Sie wurden dann in ihrer zweiten Saison entlassen. Weshalb?
Andersen: Die Mannschaft wurde nach Platz 5 nicht verstärkt, sondern durch einige Abgänge geschwächt. Dann kam eine Verletztenmisere und Missstimmung auf und wir sind unten reingerutscht. Das war’s dann für mich. Obwohl ich sicher bin, dass ich die Mannschaft gerettet hätte.

Dann kam Mönchengladbach mit Horst Köppel als Chef und Ihnen als Co-Trainer. War das eine große Umstellung, ins zweite Glied zurückzukehren?
Andersen: Nein, wir haben sehr gut zusammengearbeitet. Obwohl Horst Köppel mich nicht geholt hat, wir kannten uns nicht. Man wollte bei der Borussia einen starken Co-Trainer. Köppel war dann im Laufe der Saison mehr der Headcoach, ich habe mich intensiv um die Mannschaft gekümmert, auch mehr und mehr im taktischen Bereich gearbeitet. Als Heynckes dann kam, hat er seinen eigenen Trainerstab mitgebracht.

Und Sie wären fast Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft geworden…?
Andersen: Ja. Ich denke, es hat nicht geklappt, weil ich kein Deutscher bin.

Aber Sie besitzen doch seit 1992 die deutsche Staatsbürgerschaft.
Andersen: Ja, aber vielleicht wusste man das nicht. Ich bin halt nicht in Deutschland geboren, spreche die Sprache nicht zu 100 Prozent. Es kann aber auch sein, dass mehrere Leute beim DFB mitbestimmt haben; also nicht nur Jogi Löw, Oliver Bierhoff und Mathias Sammer. Ich weiß, dass ich einer der Wunschkandidaten von Jogi Löw war.

Jetzt folgt statt EM-Vorbereitung 2008 Abstiegskampf in der 2. Liga mit dem OFC.
Andersen: Ja, so ist das Geschäft. Es ist viel passiert seit meiner Zeit in Mönchengladbach. Ich hatte genug Angebote, als Nationaltrainer in Weißrussland, ich hätte in Norwegen, Kamerun, Dänemark, Österreich oder bei Waldhof Mannheim arbeiten können. Aber mein Ziel war die 2. Liga in Deutschland. Mindestens. Und jetzt hat es geklappt.

Sie wollen noch höher hinaus.
Andersen: Ich weiß, dass ich einen Bundesligaklub trainieren kann, muss mich jetzt beweisen, dass ich die Chance bekomme. Ich bin überzeugt von mir, kenne meine Qualitäten.

Können Sie die im Abstiegskampf beweisen?
Andersen: Ich will noch nicht über Abstiegskampf sprechen. Dazu ist es noch viel zu früh. Klar, Ziel Nummer eins ist, nicht abzusteigen. Ich wünsche mir, dass wir schnell in ruhiges Fahrwasser kommen, dass wir in Ruhe arbeiten können. Dass wir nicht den Druck haben, stets gewinnen zu müssen. Dass man auch mal rausgehen kann und sagt, wir spielen heute nach vorne, und wenn man alles dafür getan, es aber nicht geklappt hat, die Welt nicht untergeht.

Sie haben in Offenbach einen Trainerstab mit Manfred Binz, Rene Keffel und Ramon Berndroth vorgefunden. Welche Änderungen schweben Ihnen vor?
Andersen: Ich bin erst einmal froh, dass sie da sind. Was mir fehlt, ist jemand, der sich um die verletzten Spieler kümmert. Ramon macht das sehr gut, aber er ist kein Fachmann auf diesem Gebiet. So lange, wie ich keinen habe, wird Ramon das machen.

Sie benötigen also einen Reha-Trainer?
Andersen: Ja, ich wünsche mir jemanden, der genau einschätzen kann, wie man den auf sein Comeback hinarbeitenden Spieler optimal belasten kann. Jemanden, der zwischen mir und der medizinischen Abteilung arbeitet.

Das war zuletzt eine Aufgabe von Manfred Binz.
Andersen: Ich brauche Manni mehr auf dem Platz, will ihm mehr Aufgaben geben mit der Mannschaft. Er besitzt eine große Erfahrung, die müssen wir intensiver nutzen.