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Aus der Offenbach Post:
Offenbach ‐ Bei dem mittlerweile 108 Jahre alten Traditionsverein Kickers Offenbach hat gestern eine neue Ära begonnen. Auf der Jahreshauptversammlung entschieden die 271 erschienenen Mitglieder des Fußball-Drittligisten, dass die Profi-Abteilung in der kommenden Saison 2010/11 in eine Kapitalgesellschaft, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), ausgegliedert wird. Von Jochen Koch

In einer gut vierstündigen Mammutsitzung, die um 19.00 Uhr begonnen hatte, gab es bei der Abstimmung um 23.04 Uhr die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die Umwandlung der Profiabteilung in die neue GmbH. Nach Ausarbeitung eines Grundlagenvertrags zwischen Verein und GmbH wird die neue Struktur für Kickers Offenbach zur neuen Saison 2010/11 in Kraft treten. Was nach einer Formalie klingt, hat für die Kickers existenzielle Bedeutung. Denn die Stadt Offenbach hat die Finanzierung des rund 25-Millionen Euro teuren Stadion-Neubaus, für den die Stadt zehn Millionen und das Land Hessen zwölf Millionen beisteuert, an die Umwandlung der Profi-Abteilung gekoppelt. „Ohne diese Ausgliederung hätte es kein neues Stadion geben“, atmete Kickers-Vizepräsident Thomas Kalt erleichtert auf.

Was die Kickers-Fans im neuen Stadion erwartet, erläuterte Dieter Lindauer, der kaufmännische Leiter der Stadtwerke Offenbach Holding (SOH). Das Ein-Rang-Stadion wird für 18 000 Zuschauer konzipiert. Neben 900 Business-Sitzen sind neun Logen (mit jeweils zwölf Plätzen) vorgesehen. Dass auf der Gegengeraden im neuen Stadion auch wieder Stehplätze vorgesehen sind, quittierten die Mitglieder mit großem Beifall. Ob sogar die gesamte Waldemar-Klein-Tribüne in das neue Stadion integriert werden kann, müssen statische Untersuchungen im Rahmen der Ausschreibung ergeben.

Derzeit führt Lindauer „sehr interessante Verhandlungen“ mit einem Namenssponsor für das neue Stadion. „Wir sind auf einem guten Weg“, hofft Lindauer, dass noch in diesem Jahr der Vertrag mit dem Sponsor mit einem geschätzten Volumen von rund 500 000 Euro pro Jahr abgeschlossen werden kann: Dann könnte nach endgültiger Ausgliederung der OFC-Profiabteilung im Jahr 2010 die Ausschreibung für das neue Stadion erfolgen.

Kickers-Präsident Dieter Müller würdigte in seinem Bericht die bisherige Leistung der Mannschaft. „Es sind jetzt noch 20 Endspiele. Wir haben das Potenzial für die 2. Liga.“ Anschließend nutzte Dieter Müller die Gelegenheit zur Abrechnung mit Ex-Trainer Hans-Jürgen Boysen. Er habe den Verein und die Mannschaft im Stich gelassen, warf Müller Boysen vor. Der Neu-Isenburger Pfarrer Matthias Lösch hielt dies für schlechten Stil und wies auch auf die Verdienste von Boysen als Trainer („Er hat diese Mannschaft zusammengestellt“) hin.

Die erste Saison (2008/09) nach dem Abstieg aus der 2. Liga haben die Kickers bei einem Etat von 5,102 Millionen Euro mit einem Minus in Höhe von 199 204 Euro abgeschlossen. Schatzmeister Horst Zang führte den Verlust vor allem auf die nicht aufgegangene Zuschauerkalkulation („200 000 Euro weniger als geplant“) zurück. Insgesamt betragen die Verbindlichkeiten der Kickers etwa 3,17 Millionen Euro, doch ohne Bankschulden, es sind fast komplett Darlehen bei Privatpersonen. „Wir sind verurteilt, in die 2. Liga zurückzukehren“, sieht Zang nur eine Liga höher gesunde Entwicklungsmöglichkeiten für den OFC. Der Aufstieg in die 2. Liga wäre auch für die 2. Mannschaft von existenzieller Bedeutung. Denn Vizepräsident Volker Eckrich erklärte, dass ein Aufstieg des Oberliga-Tabellenzweiten in die Regionalliga „nur bei einem Aufstieg der 1. Mannschaft in die 2. Liga ein Thema sein kann“.