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Aus der Offenbach Post:
Dieter Müller Rekord-Präsident der Kickers / Mit Wulnikowski wäre OFC nicht abgestiegen / Ziel: Abstieg vergessen machen und zurück in 2. Liga

Von Jochen Koch

Offenbach – Als Spieler hält er immer noch einen außergewöhnlichen Rekord. Dieter Müller hat als einziger Profi in einem Bundesligaspiel sechs Tore erzielt. Das hat nicht einmal der legendäre Gerd Müller geschafft. Aber auch als Präsident der Offenbacher Kickers darf sich Dieter Müller mit einer Rekordzahl schmücken. Der 54-Jährige führt den Drittligisten seit November 2000, so lange wie kein anderer Präsident in der 107-jährigen Vereinsgeschichte. Am kommenden Montag kandidiert Dieter Müller auf der Jahreshauptversammlung in der Mühlheimer Willy-Brandt-Halle für seine fünfte Amtszeit.

Dieter Müller, mit welchen Erwartungen gehen Sie in Ihre fünfte Amtszeit als Kickers-Präsident?

Mit ist jetzt erst wieder bewusst geworden, welche Zeitspanne seit meiner ersten Präsidentschaft im Jahr 2000 vergangen ist. Damals war unser Stürmer Tufan Tosunoglu zwölf Jahre jung. Wahrscheinlich sind seitdem 200 Spieler gekommen und gegangen. Aber zu den Erwartungen: Nach der riesigen Enttäuschung mit dem Abstieg, der so sinnlos und unnötig war, habe ich überlegt, welchen Weg wir gehen sollten. Ich habe mich an Klaus Gerster und den Abstieg im Jahr 2000 erinnert. Er hat auf alte, satte Spieler gesetzt, das war der falsche Weg. Also mussten wir einen Schnitt machen und auf junge, hungrige Spieler bauen. Wie sich das entwickelt, hat mir in den letzten Wochen wieder Mut gegeben. Diese Mannschaft gibt uns für die Zukunft Anlass zu großen Hoffnungen.

Sind Sie zufrieden, welche Mannschaft Trainer Hans-Jürgen Boysen in der kurzen Zeit geformt hat?

Die Entscheidung für Hans-Jürgen Boysen war genau richtig. Er war hungrig, er kennt die Liga und viele Spieler. Ich habe ihm auch zu diesem radikalen Schnitt geraten. Das hat er konsequent durchgezogen. Das gibt mir Kraft und Hoffnung, die nächsten zwei Jahre wieder anzugreifen und in die 2. Liga zurückzukehren.

Sie haben aber auch überlegt, aufzuhören.

Ja, jeder musste sich nach dem Abstieg persönlich hinterfragen. Ich habe den Verein immer in ruhigen Bahnen geleitet, es gab keine Skandale. Ich kann den Verein jetzt nicht im Stich lassen. Ich habe Leute wie Andreas Möller und Hans-Jürgen Boysen geholt, also stehe ich auch in der Verantwortung.

Werden Sie Ihren Führungsstil ändern?

Meine Stärke ist, dass ich den verantwortlichen Leuten in ihren Bereichen nicht hineinrede. Ich habe den Überblick, weiß alles, was im Verein vor sich geht. Mein, unser Ziel ist klar: Wir haben den Ehrgeiz, Kickers Offenbach wieder in die 2. Liga zu führen. Ich denke, dann auch mit besseren Voraussetzungen. Denn mit dem Stadion hat sich jetzt auch das eine oder andere getan.

Aber statt des erhofften Stadionneubaus sieht es jetzt nach einem Umbau aus.

Was da vorgefallen ist, ist nicht korrekt. Die 20 Millionen Euro, die das Land aus dem Ausgleichsstock überwiesen hat, hat die Stadt nur den Kickers zu verdanken. Wir haben dafür gesorgt, dass das Geld kommt, und jetzt ist das Geld nicht mehr da, das ist nicht in Ordnung. Zumindest hätte man einen Teil des Geldes für das Stadion verwenden müssen. Den verantwortlichen Leuten muss klar sein, dass Kickers Offenbach in Stadt und Region einen riesengroßen Stellenwert hat und für die Menschen hier unheimlich wichtig ist.

Hätte der Verein in der Stadiondiskussion offensiver vorgehen müssen?

Wir haben immer gesagt, wir brauchen die bessere Infrastruktur. Schauen Sie in die 2. Liga. Alle, ob St. Pauli, Wehen Wiesbaden, Augsburg, FSV Frankfurt, alle kriegen sie für Neubau oder Umbau des Stadions Zuschüsse, nur wir kriegen es so schwer gemacht. Dabei haben wir doch seit Jahren immer seriös gearbeitet.

Unter Ihrer Führung hat der Verein in acht Jahren Schulden in Millionenhöhe abgebaut und sportlichen Erfolg gehabt. Im Sommer gab es zum ersten Mal einen Rückschritt. Welche Zahlen werden Sie den Mitgliedern in der Jahreshauptversammlung präsentieren?

Unsere Philosophie war immer, keine Schulden zu machen. Wir hatten mit Thomas Röder einen exzellenten Schatzmeister, der darauf geachtet hat. Und wir haben die Erfahrung der Gerster-Ära mit sechs Millionen Mark Schulden noch vor Augen. Wir wollen diesen Weg mit hohem Risiko, der in Offenbach in der Vergangenheit oft gegangen wurde, nicht gehen. Wir gehen den seriösen Weg.

Wurde die letzte Saison mit einem Minus abgeschlossen?

In erträglichem Maße. Das Problem ist, der Unterschied zwischen 2. Liga und 3. Liga ist zu groß. Vergangene Saison hatten wir 4,5 Millionen Euro Fernseheinnahmen, jetzt sind es 450 000. Das macht es sehr schwer. Wir haben zwar gute Sponsoren, aber eben niemanden, der drei, vier Millionen gibt.

Es wird zwei personelle Wechsel im OFC-Präsidium geben, was wird sich dadurch ändern?

Im Großen und Ganzen nicht viel. Das meiste hängt an Thomas Kalt und mir. Volker Eckrich übernimmt von Thomas Wolfgramm den Nachwuchsbereich, er kennt sich aus. Der neue Schatzmeister Horst Zang betreut mit Jörg Hambückers schon seit Jahren den Finanzbereich mit. Da wird sich also nicht viel ändern.

Wie beurteilen Sie die Arbeit des neuen Sportmanagers Andreas Möller?

Er ist unheimlich engagiert. Möller ist viel unterwegs, hat uns auch schon den einen oder anderen Sponsor gebracht. Seine Kompetenz, sein Ansehen ist für Kickers Offenbach wichtig.

Wird es möglich sein, noch personell nachzubessern?

Im Moment zwar eher nein. Aber wir haben schon öfter nein gesagt, und dann hat sich doch noch etwas ergeben.

Wird die wirtschaftliche Kalkulation für diese Saison aufgehen?

Ja. Wir haben zwar im Moment einige Außenstände, aber die Saison ist absolut gesichert.

Sind Sie mit der sportlichen Entwicklung zufrieden?

Ich bin ja immer sehr kritisch, weil ich auf hohem Niveau gespielt habe und viel erwarte. Wir sind in dieser Saison auf einem guten Weg. Nächste Saison wollen wir uns auf drei, vier Positionen verstärken und angreifen.

Können die Kickers eventuell jetzt schon vorne mitspielen?

Wenn sich der eine oder andere Spieler noch steigert, könnte ich mir vorstellen.

Wer ist für Sie bisher die positive Überraschung?

Robert Wulnikowski. Nichts gegen Cesar Thier, aber ich denke, mit Wulnikowski wären wir nicht abgestiegen. Steffen Haas, Alexander Huber und Tufan Tosunoglu sind junge, talentierte Spieler, die noch weiter nach vorne kommen werden.

Was sind die Schwerpunkte Ihrer fünften Amtszeit?

Mein Ziel ist, so schnell wie zurück in die 2. Liga zu kommen. Wenn das klappt, reicht es dann nach zehn Jahren als Präsident. Ich mache das ehrenamtlich, aber mit 100 Prozent Engagement, das kostet viel Kraft, irgendwann ist man dann leer. Und im Fußball kriegst du keinen Dank.

Müsste die Arbeit auf mehr Schultern verteilt werden?

Im Moment ist es kein Problem. Wir haben mit Jörg Hambückers auf der Geschäftsstelle einen erfahrenen und sehr guten Mann, dazu Andreas Möller. Irgendwann muss man natürlich noch professionellere Strukturen schaffen. In der 2. Liga wird man nicht mehr mit ehrenamtlichen Führungskräften arbeiten können.

Eine Möglichkeit wäre, die Profiabteilung aus dem Verein auszugliedern.

Ja, das ist sicher eine Überlegung wert. Aber für neue Strukturen müssen wir erstmal höher kommen.

Im Rhein-Main-Gebiet waren die Kickers viele Jahre die Nummer zwei hinter Eintracht Frankfurt. Inzwischen sind einige Klubs vorbeigezogen….

Das wollen wir ändern. Aber, ohne die Arbeit von Wehen Wiesbaden und vom FSV Frankfurt zu schmälern, man sieht, wie schwer es ist, sich in der 2. Liga zu halten oder sogar zu etablieren. Es gehört auch viel Glück dazu. Denken Sie nur an unser Heimspiel gegen Hoffenheim: Wenn Türker in der 83. Minute getroffen hätte, wären wir noch drin. Ich werde alles dafür tun, dass wir so schnell wie möglich wieder dort oben mitspielen.