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Aus der FAZ:
Im Gespräch: Hans-Jürgen Boysen, Trainer der Offenbacher Kickers

Der 51 Jahre alte Trainer ist schon zum dritten Mal beim OFC. Nach dem Abstieg soll er die völlig neu formierte Mannschaft in der dritten Profiliga etablieren.

FRAGE: In der Regionalliga waren Sie mit dem OFC sehr erfolgreich. Aber in der zweiten Liga sind Sie zweimal entlassen worden. Haben Sie überhaupt ein Interesse daran, mit den Kickers den Wiederaufstieg zu schaffen?

ANTWORT: Ja, unbedingt. Mein Ziel ist es nach wie vor, in der zweiten Liga länger als bisher zu arbeiten. Die Vergangenheit wird nicht verhindern, dass es mein Anspruch ist, da hinzukommen, wo auch der OFC wieder hin will.

FRAGE: Warum konnten Sie in der zweiten Liga nicht Fuß fassen?

ANTWORT: Beim ersten Aufstieg mit den Kickers war ich sicherlich noch zu grün und zu naiv. Beim zweiten Mal hatte man es versäumt, mich meinen Weg gehen zu lassen. Wo ich war, hatte ich Erfolg. Unter anderem bin ich fünfmal aufgestiegen und habe viermal in kritischen Situationen den Klassenverbleib geschafft. Wenn man den Trainer seine Vorstellungen umsetzen lässt, klappt es auch in der zweiten Liga.

FRAGE: Bei Ihrer zweiten Entlassung gab es offenbar atmosphärische Störungen zwischen einem Teil der Mannschaft und Ihnen. Was haben Sie daraus gelernt?

ANTWORT: Die Vergangenheit ist abgehakt. Beide Seiten haben dazugelernt. Es gibt immer mal Phasen in einer Saison, wo es knistert. Das gehört dazu.

FRAGE: Musste bei den Vertragsgesprächen mit den Kickers viel aufgearbeitet werden?

ANTWORT: Das Thema ist noch mal besprochen worden, damit nichts zurückbleibt. Aber bei mir ist persönlich ohnehin nichts zurückgeblieben, was tiefe Wunden hinterlassen hätte. Meine zweite Amtszeit war fast ausschließlich positiv. Wir haben jetzt ein Vertragswerk und eine mündliche Vereinbarung darüber, was vonstattenginge, wenn der Tag x einträfe.

FRAGE: Wie groß ist für Sie das Risiko, in Offenbach Trainer zu sein?

ANTWORT: Jede Situation wie diese birgt sicherlich eine gewisse Gefahr. Ich weiß nicht, wie schnell und gut die Mannschaft zusammenwächst, wie unser Start in die Saison verläuft. Ich denke, dass unsere Situation richtig eingeschätzt wird. Ich glaube, dass sich unsere Fans mit den Spielern identifizieren können und Freude an der Mannschaft haben werden.

FRAGE: Wird die Hemmschwelle diesmal größer sein, sich von Ihnen zu trennen?

ANTWORT: Das darf kein Thema sein. Wir wollen positiv nach vorne denken.

FRAGE: Warum waren Sie fast zweieinhalb Jahre ohne Trainerjob?

ANTWORT: Es sah damals nach einem fast nahtlosen Übergang aus. Ich habe nicht geglaubt, dass Ralf Rangnick in die dritte Liga nach Hoffenheim geht.

FRAGE: Ist es möglich, dass Sie mit dieser Mannschaft gegen den Abstieg spielen?

ANTWORT: Es wäre fast schon überheblich zu sagen, ich kann das ausschließen. Vor Unwägbarkeiten ist keiner gefeit. Wir sind gut beraten, den Ball flach zu halten und die Entwicklung abzuwarten.

FRAGE: Präsident Dieter Müller hatte einen radikalen Schnitt gefordert. Hätten Sie sich ein wenig mehr Kontinuität gewünscht?

ANTWORT: Diesen radikalen Schnitt hat der Trainer gemacht und gewollt. Ich habe meine Vorstellungen mit diesem Kader in die Tat umsetzen können. Es werden keine Altlasten mit in die neue Saison genommen.

FRAGE: Was ist von der neuen OFC-Mannschaft zu erwarten?

ANTWORT: Man kann davon ausgehen, dass alle die Qualität haben, in der dritten Liga einen guten Ball zu spielen. Es sind alles keine Spieler, die ich als Ergänzungsspieler sehe.

FRAGE: Wie knapp war Ihr Budget bei der Zusammenstellung des Kaders?

ANTWORT: Es war knapp. Man sieht ja, wie viele junge Spieler wir haben. Man weiß, dass sie keine horrenden Gehaltsforderungen haben. Unser Budget in der dritten Liga ist nicht hoch angesiedelt.

FRAGE: Haben Sie einen Schreck bekommen, als Sie von der Zahl hörten?

ANTWORT: Beim Amtsantritt wusste ich, dass wieder der spitze Bleistift regiert und in vielerlei Hinsicht Abstriche gemacht werden müssen. Was die Aufstockung des Kaders angeht, müssen noch Gelder akquiriert werden, um wettbewerbsfähig zu sein.

FRAGE: Wie gefährlich ist die Situation?

ANTWORT: Sie ist nicht gefährlich, weil unsere Fans die Situation richtig einschätzen werden. Bei so einem großen Umbruch mit so vielen jungen Spielern darf man weder vom Aufstieg träumen noch davon, vorne mitspielen zu wollen.

FRAGE: Ist die Mannschaft womöglich zu jung für die dritte Liga?

ANTWORT: In der Mannschaft steckt viel fußballerische Qualität. Die Qualitätsfrage hat nichts mit dem Alter zu tun.

FRAGE: Wird Andreas Möller bei den Spielen neben Ihnen auf der Bank sitzen?

ANTWORT: Noch bevor es in die Punkterunde geht, werde ich mit den Offiziellen meine Vorstellungen diesbezüglich besprechen.