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Aus der Frankfurter Rundschau:
OFC-Torwart Cesar Thier über 22 Jahre Profifußball und das letzte Spiel seiner Karriere in Osnabrück

Zur Person
Cesar Thier bestreitet am kommenden Sonntag beim VfL Osnabrück sein letztes Spiel nach 22 Jahren als Fußballprofi. Der Torhüter der Offenbacher Kickers will mit seinem Klub unbedingt den Abstieg aus der Zweiten Bundesliga verhindern.
Für den 40 Jahre alten Brasilianer, der 1994 nach Deutschland kam und 1999 von Borussia Fulda an den Bieberer Berg wechselte, wäre der Klassenerhalt ein würdiger Abschluss seiner Zeit in Offenbach, in der er für viele Fans zum Idol wurde.

Herr Thier, Sie bestreiten in Osnabrück definitiv Ihr letztes Spiel? Oder vielleicht doch nicht?
Das ist definitiv mein letztes Spiel für den OFC.

Sind Sie wehmütig oder zu sehr auf das Spiel in Osnabrück fokussiert?
Die Situation lässt es nicht zu, an den Abschied zu denken. Die ganze Konzentration gilt Osnabrück. Das ist auch gut so.

Seit wann steht für Sie fest, dass nach der Saison Schluss ist?
Ich kann schon länger nicht mehr das Trainingspensum absolvieren, das für die zweite Liga nötig ist. Mein rechtes Knie (Thier erlitt 2005 einen Knorpelschaden; Anm. d. Red.) hält den Belastungen nicht mehr stand. Deswegen war schon vor der Saison klar, dass ich aufhöre. Dem Team weiter zu helfen, ist nur möglich, weil ich nach Absprache mit dem Trainer das Training reduzieren darf, um bei den Spielen fit zu sein.

In der Vorrunde saßen sie zwischendurch auf der Bank. Haben Sie da manchmal gedacht: „Hätte ich doch lieber schon im Sommer 2007 aufgehört?“
Ja, habe ich. Als die ganze Wechselei war, da gab es Momente, in denen ich dachte: Warum tust du dir das noch an? Hättest du es nicht doch besser gelassen. Unter Trainer Wolfgang Frank hatte ich nicht das Vertrauen. Jörn Andersen hat mir gleich das Vertrauen ausgesprochen, und ich habe mich wieder gesteigert.

Auch wenn Sie auf Osnabrück fokussiert sind, der Abschied naht. Was bleibt von 22 Jahren als Profi?
Es überwiegen eindeutig die schönen Momente. Der Aufstieg in die erste Liga in Brasilien mit dem SC São Paulo RG, der Regionalliga-Aufstieg mit Borussia Fulda oder natürlich der Aufstieg mit dem OFC in die zweite Liga und der Klassenerhalt 2006.

Sie sind in Deutschland erst mit 38 Jahren in die zweite Liga gekommen. Warum nicht früher? Und bedauern Sie das manchmal?
Als ich kam, waren in jeder Mannschaft nur drei Spieler aus Nicht-EU-Ländern erlaubt. Und kaum ein Verein hat einen Torwart aus einem Nicht-EU-Land geholt. Bedauern? Nein. Es ist nun mal so gekommen. Ich bin glücklich mit meiner Karriere.

Was werden Sie am meisten vom Torwartsein vermissen, wenn es vorbei ist?
Den Ball zu fangen. Das Hinschmeißen weniger. Zudem die Atmosphäre im Stadion. Aber ich bin vorbereitet und freue mich auf meine neue Aufgabe (Thier wird Talentscout beim OFC; Anm. d. Red.), und deswegen wird es mir nicht so schwer fallen.

Sieht man Sie mal als Trainer?
Glaube ich nicht. Vielleicht mache ich später mal eine Torwartschule auf. Aber erst mal habe ich die neue Aufgabe beim OFC.

Sie verfolgen ja die Diskussionen um das moderne Torwartspiel. Was hat sich in den 22 Jahren verändert?
Das Spiel ist schneller geworden, der Torwart darf den Ball beim Rückpass nicht mehr in die Hand nehmen. Der Torwart muss heute auch mit dem Fuß technisch gut sein. Aber das wichtigste ist immer noch: die Bälle halten.

Nochmal zu Sonntag. Kommt Ihnen manchmal der Gedanke, dass Sie in Ihrem letzten Spiel absteigen könnten?
Ab und zu. Aber ich verdränge ihn. Ich bin total davon überzeugt: Wir steigen nicht ab.

Interview: Andreas Hunzinger