Seite wählen

Aus der Offenbach Post:
Interview mit Präsident Müller und Vizepräsident Kalt: „Wollen Wünsche des Trainers erfüllen, aber es gibt auch Grenzen“

Offenbach – Neues Jahr, neues Glück und eventuell sogar ein neues Stadion? Am Sonntag beginnt für die seit elf Spieltagen sieglosen Offenbacher Kickers gegen Schlusslicht SC Paderborn der Kampf um den Klassenerhalt in der 2. Liga. Mit Kickers-Präsident Dieter Müller und Vizepräsident Thomas Kalt sprachen die Sportredakteure Jochen Koch und Holger Appel über die Perspektiven der Kickers.

Im vergangenen Jahr mussten Sie während der Negativserien einiges an Kritik von den Fans einstecken. Droht das im neuen Jahr erneut?

Thomas Kalt (OFC-Vizepräsident): Je emotionaler die Leute am Verein dran sind, umso mehr jubeln sie nach einem Sieg, umso mehr schimpfen sie nach einer Niederlage. Zum Fußball gehören Beifall und Pfiffe, das ist in Offenbach nicht schlimmer als bei den anderen Vereinen.

Die Fans befürchten offenbar, dass der OFC in der Rhein-Main-Region überholt wird. Zum Beispiel von Wehen Wiesbaden?

Kalt: Auch wenn Wehen fünf Punkte mehr hat, fehlt dem Verein die komplette Geschichte von Kickers Offenbach. Bei allem Respekt, muss man abwarten, ob das nicht nur eine Modeerscheinung in der Großstadt Wiesbaden mit einem schmucken Stadion ist. Ob die Leute auch noch kommen, wenn der Verein zehn Spiele in Folge nicht gewinnt, das wage ich zu bezweifeln. Über kurz oder lang werden wir wieder über Wehen stehen. Denn in Offenbach entwickelt sich auch etwas.

Das ist offenbar nicht jedem bewusst?

Kalt: Ich nenne mal ein Beispiel. Ein Fan mailt nach einer Niederlage, so etwas habe er in 20 Jahren noch nicht erlebt. Dem antworte ich dann, dass ich ihm das gerne glaube, denn der OFC ist zum ersten Mal seit 20 Jahren drei Jahre am Stück in der 2. Liga, war zweimal in Folge im Viertelfinale des DFB-Pokals und muss nicht mehr wie früher regelmäßig um die Lizenz zittern. So muss man das mal sehen.

Die Kickers-Fans haben offenbar Angst…

Kalt: Ja, denn die Geschichte vom OFC hat den Anhängern zu viele Enttäuschungen geliefert in den letzten Jahrzehnten, und da spielt in jeder Niederlage die Angst mit. Es ist nicht die Angst, dass wir aktuell so schlecht sind, sondern die Angst, dass wir wieder in das Loch fallen, aus dem wir gekommen sind. Das können wir nicht verhindern. Wir können nur sagen, dass die letzten drei Jahre extrem erfolgreich waren. Wir haben den Aufstiegskampf gewonnen, zwei Mal die Klasse gehalten und sind jetzt im dritten Jahr dabei, wieder die Liga zu sichern.

Hat der OFC ein Problem mit der Außendarstellung?

Kalt : Nein, wir haben mittlerweile eine gute Außendarstellung. Wir vom Präsidium sind keine Schaumschläger, die sich überall in den Mittelpunkt drängen. Wir sind eher zurückhaltend – das kann manchmal positiv und manchmal auch negativ sein.

Dieter Müller (Präsident): Unsere Philosophie ist, dass wir lieber den Ball flach halten.

Aber müssen die Kickers gerade im Hinblick auf den Stadionneubau nicht mehr Lobbyarbeit betreiben?

Kalt: Bei der Lobbyarbeit kann man Kritik annehmen. Da kann man immer mehr tun. Aber irgendwann stößt man als ehrenamtliches Präsidium an Grenzen. Der Zeitaufwand, den wir betreiben, liegt bereits über der Zumutbarkeitsgrenze.

Wie würden Sie die Kontakte zu Politik und Stadt bezeichnen?

Kalt: Die Kontakte haben sich verbessert, sind aber noch nicht gut genug. Aber da fehlen uns auch manchmal die repräsentativen Räumlichkeiten – wobei wir wieder beim neuen Stadion wären. Viele Kontakte entstehen am Spieltag im Stadion – da sind wir klar im Nachteil.

Hat Kickers Offenbach ein Imageproblem?

Kalt: Nein, wir haben seit Jahrzehnten nicht mehr so ein gutes Image gehabt wie jetzt. Der Verein genießt ein hohes Ansehen. Wir reden heute mit Unternehmen, die zu Beginn unserer Amtszeit nicht bereit waren, auch nur einen Termin zu vereinbaren. Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit allen Verbänden – das funktioniert im Gegensatz zu früheren Zeiten reibungslos.

Wofür steht der OFC?

Kalt: Für Nähe und Bodenständigkeit. Wir sind der Verein zum Anfassen, gehen sehr kommunikativ mit Fans und Sponsoren um.

Hat der Fußball-Standort Offenbach eine Perspektive?

Kalt: Man muss zugeben, wir haben es schwieriger als zum Beispiel Koblenz.

Woran liegt das?

Kalt: Koblenz kann einen viel größeren Kreis exklusiv abdecken. Wir haben den Main als Grenze zu Frankfurt und auch ansonsten einige Standortnachteile.

Welche?

Kalt: Durch die Struktur der Stadt und durch die örtlichen Begebenheiten im Stadion.

Das heißt konkret?

Kalt: Wir haben bei den Einwohnern einen sehr hohen Anteil an Migranten, die sich aber nicht im Stadion wiederfinden. Der OFC hat zu 90 Prozent deutsche Besucher. Wir wissen, dass nicht einmal die Hälfte der Zuschauer aus der Stadt kommt. Wir müssen die Marke Kickers Offenbach so weiterentwickeln, dass sie weit über die Grenzen der Region attraktiv ist. Das würde uns mit dem neuen Stadion, den Klassenerhalt vorausgesetzt, sicher gelingen.

Stichwort Klassenerhalt. Der neue Trainer Jörn Andersen wartet auf seinen ersten Sieg. Wann ist er fällig? Am Sonntag gegen Paderborn?

Kalt: Andersen hat bewirkt, dass die Mannschaft stabiler geworden ist. Wir glauben, dass wir nicht mehr weit vom ersten Sieg unter seiner Regie entfernt sind.

Wieso tut sich der OFC mit Zugängen so schwer?

Kalt: Es ist jedenfalls leichter einen Stürmer zu finden als einen Mittelfeldspieler, wie ihn Andersen sich wünscht. Wir wollen immer die Wünsche des Trainers erfüllen, aber das hat auch seine Grenzen. Wir müssen jedenfalls kämpfen, um am Jahresende mit einer roten Null herauszukommen.

Was meint Schatzmeister Thomas Röder dazu?

Kalt: In den Gesprächen mit dem Schatzmeister siegt stets die Vernunft. Der Schatzmeister muss womöglich mehr Risiko fahren, als er als Kaufmann eigentlich bereit ist. Andererseits muss die sportliche Leitung so agieren, dass das Risiko kalkulierbar bleibt.

Müller: Trainer und Sportmanager wollen immer mehr – man muss ihnen die Grenzen zeigen. Kickers Offenbach ist nicht in der Lage, locker 500000 Euro freizumachen. Das ist dann die Kunst, aus Beste daraus zu machen. Einen zu finden, der am besten keine Ablöse kostet und trotzdem gut ist.

Sportmanager Michael Dämgen ist wegen seiner Transferpolitik in der Kritik.

Müller: Michael Dämgen ist ein hervorragender Mann. Es gibt kaum Klubs, denen immer nur 100-prozentige Treffer gelingen. Sogar Werder Bremen passiert ein Flop wie mit Carlos Alberto. Klar, ein Sean Dundee hat nicht so eingeschlagen, aber andere Dinge sind gut gelaufen. Man muss sich nur an Momo Diabang erinnern. Wir haben nicht die finanziellen Möglichkeiten wie Hoffenheim. Mit unseren Mitteln haben wir bisher hervorragend gearbeitet.