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Aus der Frankfurter Rundschau:
Nach dem Remis gegen Osnabrück blickt Kickers Offenbach auf eine insgesamt mäßige Vorrunde zurück / Verstärkungen sind notwendig
VON ANDREAS HUNZINGER

Am Samstagmorgen hat Jörn Andersen seine Spieler noch einmal um sich geschart. Trainiert wurde nicht mehr, der Coach des Fußball-Zweitligisten Kickers Offenbach hat seinen Jungs aber gesagt, was er von ihrem Auftritt am vergangenen Freitag beim 3:3 gegen den VfL Osnabrück gehalten hat. Und zwar „in deutlichem Ton“, so der 44 Jahre alte Norweger. Und er hat seinen Spielern mit auf den Weg gegeben, „dass sie sich während der Pause Gedanken über die Vorrunde machen“. Andersen selbst will die Eindrücke, die er seit seinem Amtsantritt am 6. November gewonnen hat, „erst einmal sacken lassen“. Aber Baustellen gibt es einige.

So konnte sich der OFC in der Vorrunde nicht auf einen sicheren Torwart verlassen, der den einen oder anderen Punkt gerettet hätte. Routinier Cesar Thier, seit Oktober 40 Jahre alt, war gegen Osnabrück schuldlos an den drei Gegentoren, hat aber keine sonderlich gute Hinserie gespielt. Das lag auch daran, dass Andersens Vorgänger Frank den Stammtorwart zwischenzeitlich auf den Bank gesetzt und so verunsichert hatte.

In der Abwehr glaubten die Verantwortlichen, gegenüber der vergangenen Saison an Stabilität gewonnen zu haben. Zwar hat der OFC siebenmal zu null gespielt, aber er kassierte dennoch 29 Gegentore. Grundsätzlich ist der OFC in der Innenverteidigung mit dem grundsoliden Martin Hysky, dem kopfball- und zweikampfstarken Aufsteiger Niko Bungert, Routinier Moses Sichone und dem gegen Osnabrück erstmals in der Zentrale aufgebotenen Manuel Hornig ordentlich aufgestellt. Allerdings: Sichone (kam aus Aachen), von dem sich die Kluboberen eine Führungsrolle und mehr Qualität in der Spieleröffnung erwartet hatten, bestritt aus Verletzungsgründen lediglich fünf Spiele. Christian Müller als rechter Verteidiger hat eine durchwachsene Vorrunde hinter sich, war aber auch einige Wochen verletzt. Auf links begann der aus Cottbus gekommene Sidney die Saison. Seine Form fand der Brasilianer nie. Gelegentlich blitzte seine fußballerische Qualität auf, deretwegen er geholt worden war. Allerdings ließ sein Zweikampfverhalten oft zu wünschen übrig. Mitte der Vorrunde verlor er seinen Stammplatz, wegen eines Knorpelschadens im Knie ist seine Zukunft ungewiss. Bastian Pinske vertrat Sidney solide, leistet sich jedoch in unschöner Regelmäßigkeit kapitale Aussetzer – wie gegen Osnabrück.

Probleme hat der OFC auch im Mittelfeld. Zuvorderst mangelt es an der Fähigkeit, bei Ballgewinn schnell auf Angriff umzuschalten. Den zentralen Mittelfeldspielern – Stephan Sieger, Thomas Wörle, Daniyel Cimen – fehlt es dafür an Dynamik. Neuzugang Adebowale Ogungbure (Sachsen Leipzig) konnte sich bisher nicht durchsetzen. Wenn er spielte, agierte er zu hektisch, zweimal flog er vom Platz. Der 19 Jahre junge Benjamin Baier deutete zuletzt sein technisches Talent an, ist aber noch zu unerfahren. Gefährlich ist der OFC aus dem Mittelfeld heraus meist nur über die Außen. Links fand der erfahrene Kapitän Thorsten Judt (36) nach Startschwierigkeiten seine Form. Rechts verfügt sowohl der von Frank aussortierte und von Andersen begnadigte Ex-Nationalspieler Marco Reich als auch Dribbler Oualid Mokhtari über die nötige Qualität.

Gleiches gilt im Angriff für Suat Türker – wenn er gesund ist. Der 31 Jahre alte Torjäger, in der vergangenen Saison mit 14 Treffern bester OFC-Schütze, war in der Vorrunde oft verletzt und folglich nie richtig fit. Dass er dennoch fünf wichtige Tore erzielte, spricht für ihn. Doch Türker ist – so er fit ist – die einzige Konstante im Sturm. Dino Toppmöller hat zwar auch fünfmal getroffen, ist aber oft wenig präsent. Anestis Agritis konnte die guten Ansätze aus der Endphase der vergangenen Saison nicht bestätigen und zeigte zu oft zu wenig Durchschlagskraft.

Sorgen macht Andersen auch die mentale Anfälligkeit seines Teams, das auch gegen Osnabrück – wie schon so oft – zwei Gegentore binnen weniger Minuten fing. „Wir brauchen Stabilität“, sagt der OFC-Coach, der den Kader verstärken will. Priorität besitzen die Verpflichtung eines offensiven Mittelfeldspielers und eines Stürmers. Nach den beiden Reservisten des 1. FC Nürnberg, Joshua Kennedy (25) und Chhunly Pagenburg (21) , sollen sich die Offenbacher bereits erkundigt haben. Vor allem Kennedy, 1,94 Meter groß und kopfballstark, passt ins Profil. „Aber die Spieler, die wir gerne hätten, hätten auch andere gerne“, weiß Andersen. Gesucht wird zudem ein offensiver Mittelfeldspieler. Stojan Ignatov (28) vom mazedonischen Erstligisten FC Rabotnicki Skopje, der bereits zum Probetraining in Offenbach weilte, bleibt ein Kandidat, nach Alternativen wird gesucht. Andersen würde die Neuen am liebsten schon zum Trainingsauftakt begrüßen. „Aber wahrscheinlich klappt es erst Mitte Januar.“

Verstärkung braucht der OFC dringend. Denn die Luft im Tabellenkeller ist dünn. Sollte Kaiserslautern heute in Köln gewinnen, verbrächten die Kickers die Winterpause auf einem Abstiegsplatz.