Seite wählen

Aus der FAZ:
Von Jörg Daniels

03. Dezember 2007 Das klingt nach Glücksspiel. Wenn Jörn Andersen die Aufstellung der Offenbacher Fußballmannschaft für das Auswärtsspiel am kommenden Sonntag in Hoffenheim festlegt, sei Benjamin Baier in der Verlosung, teilte der Kickers-Trainer mit. Beim 0:0 am Sonntag zu Hause gegen den SC Freiburg entpuppte sich der erst 19 Jahre alte Mittelfeldspieler als Treffer. Und wenn das große Talent hält, was es verspricht, könnte Baier zum sportlichen Glücksfall für den Zweitliga-Klub in Abstiegsgefahr werden.

Dieser Spielertyp hat dem OFC gefehlt. Mit Stephan Sieger, der im Duell mit dem Tabellenzweiten ein großes Laufpensum bewältigte, und Thomas Wörle, der aus Verletzungsgründen passen musste, beschäftigen die Offenbacher zwei Fußballarbeiter im zentralen Mittelfeld. Beide beauftragt man am besten mit defensiven Aufgaben, hier liegen ihre Stärken. Beim jungen Baier dagegen geht die Blickrichtung nach vorne. Der Youngster, der gegen Freiburg hinter den Spitzen Suat Türker und Dino Toppmöller zum Einsatz kam, zählt zu der Kategorie Instinktfußballer.

„Ich war ein bisschen nervös“
Spielsituationen erfasst er schnell. Bietet sich die Möglichkeit, schlägt Baier mit sehenswerten Pässen zu. Dazu hat er das Auge und den Mut. Wie nach gut einer halben Stunde gegen den SC. Sein zielgerichtetes Zuspiel nutzte Toppmöller, dessen Schuss über das Tor flog, jedoch nicht. Auch kurz nach der Halbzeitpause verhinderte das Abschlusspech des Angreifers, dass der Nachwuchs-Spielgestalter zum Torvorbereiter wurde.

Baiers Debüt in der Offenbacher Startformation beurteilte Andersen zurückhaltend. Er wolle nicht so sehr loben. „Er hat umgesetzt, was wir wollten, und ein gutes Spiel gemacht“, sagte der Norweger nur. Vier Stunden vor der Partie war Baier von ihm unterrichtet worden, dass sein Platz diesmal nicht auf der Bank sein würde.

Zweimal war der Mittelfeldspieler in der zweiten Liga zuvor eingewechselt worden: gegen Fürth für drei und in Mönchengladbach für zwanzig Minuten. Dort war der Jungprofi schon ein Lichtblick in einer schwachen OFC-Mannschaft. „Ich war zwar ein bisschen nervös“, sagte er nach dem Freiburg-Spiel, aber das habe er ganz gut in den Griff bekommen.

Spielwitz und Behauptungswille
2005 wechselte er von Viktoria Aschaffenburg auf den Bieberer Berg, wo er in dieser Runde in den Profikader befördert wurde. Spielpraxis sammelt Baier vor allem in der Landesliga-Mannschaft des Traditionsvereins. Was er in Reihen des souveränen Tabellenführers macht, hat Hand und Fuß. Beim 3:0-Heimerfolg unlängst über Viktoria Griesheim traf der Regisseur mit einem Freistoß aus 18 Metern. Zwar konnte Baier später einen Foulelfmeter nicht verwerten, doch der dritte Treffer der Offenbacher „U 23“ ging wieder auf sein Konto. Und dass er im letzten Heimspiel der Hinrunde den ersten Treffer unter Beobachtung von Cheftrainer Andersen vorbereitete, versteht sich fast von selbst. Drei Spielklassen höher kam Baier in 65 Minuten Einsatzzeit gegen Freiburg auf 35 Ballkontakte. Von 22 Pässen erreichten 14 den Mitspieler. Fünf Zweikämpfe gewann Baier, viermal bewies sein Gegenspieler mehr Durchsetzungsstärke. Besonders bei der körperlichen Robustheit und Härte sieht das Talent noch Nachholbedarf. In der zweiten Liga werde ein ganz anderes Tempo gespielt, „als ich es gewohnt bin“, sagte er.

Nach der Pause ließen beim jungen Impulsgeber langsam die Kräfte nach. Die Folge: Baier verlor seinen Rhythmus. An dem Respekt des Publikums für seine Leistung änderte das allerdings nichts. Mit großem Beifall wurde er von den OFC-Anhängern verabschiedet. Durch seinen Spielwitz und Behauptungswillen ist Baier auf dem Weg zum Publikumsliebling. Selbst bei den Aktionen, die ihm nicht gelangen, munterten ihn die Zuschauer auf.

Baier ist nicht der einzige Baier bei den Kickers. Sein Vater, der zwischen 1980 und 1993 390 Zweitliga- und 31 Erstliga-Spiele für Fürth, Fortuna Köln, Hannover 96, den OFC und Darmstadt 98 bestritt, trainiert die A-Jugend der Offenbacher. Und sein Bruder Daniel, an dem der OFC schon einmal Interesse gezeigt haben soll, steht in der Bundesliga beim VfL Wolfsburg unter Vertrag. Auch wenn sich die Kickers in der Winterpause mit einem offensiven Mittelfeldspieler verstärken sollten – Benjamin Baier hat gute Chancen, seinen Weg in Offenbach zu machen. Von seiner Art, Fußball zu spielen, passt der Jungprofi bestens zur Philosophie von Andersen. „Angriff ist die beste Verteidigung“, sagte der Trainer auch am Sonntag wieder. Jetzt müssen die Kickers-Stürmer die Vorlagen Baiers nur noch verwerten, um das Glück des offensiven Mittelfeldspielers perfekt zu machen.