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In Offenbach sorgt ein Fan-Projekt für eine intakte Fangemeinde
VON ANDREAS SPREIER (FRANKFURT) (Quelle: fr-online.de)

In Sachsens Innenministerium herrscht nach den Ausschreitungen nach dem Fußballspiel zwischen Lok Leipzig und Erzgebirge Aue II am Wochenende Ratlosigkeit, wie die Gewalt in Zukunft eingedämmt werden kann. Es mag kein Patentrezept vorliegen, wie Gewalt in Fußballstadien verhindert werden kann. Aber Lösungsansätze gibt es. Einer wird erfolgreich in Offenbach umgesetzt.

1999 war es in Offenbach zu den schwersten Ausschreitungen bei einem Spiel zwischen den Kickers und dem SV Waldhof Mannheim an Christi Himmelfahrt gekommen. Doch statt in Ratlosigkeit zu verfallen wurde die Kulturwissenschaftlerin Antje Hagel beauftragt, ein Fanprojekt aufzubauen. Die heute 45-Jährige wechselte die Rollen – aus dem OFC-Fan wurde eine Fan-Arbeiterin. 2001 gründete die Kulturwissenschaftlerin ein Fan-Projekt. „Die Fanszene hatte damals einen schlechten Ruf“, sagt Hagel.

Das Fan-Projekt vermittelt zwischen den Fans auf der einen Seite und Deutscher Fußball Liga (DFL), der Stadt Offenbach und der Polizei auf der anderen Seite. Alle Beteiligten sitzen an einem Tisch und entwickeln Sicherheitsstrategien.

„Die ,Spielregeln‘, die wir dort festlegen, vermitteln wir den Fans“, sagt Hagel. Die Fans wüssten dann beispielsweise, welche Fahnen sie mit ins Stadion nehmen dürften. Das entschärfe die aufgeheizte Stimmung vor dem Spiel. Deshalb sind Hagel und ihre Kollegen immer dienstags und donnerstags von 15 Uhr bis 18 Uhr im Fan-Container für alle Kickers-Anhänger da. Sie begleiten die Fans bei Auswärtsspielen und stehen bei Heimspielen im Fanblock.

Das Wichtigste an einem Fan-Projekt sei es, bei Fans und Sicherheitspersonal wechselseitig mehr Verständnis zu schaffen. Hagel kann sich dabei auf ihre Erfahrung als Fan stützen. Sie weiß, wie sich Fans fühlen, wie sie denken und handeln. „Wenn früher ein Fan festgenommen wurde, eilten ihm oft seine betrunkenen Freunde zur Hilfe“, sagt Hagel. Die Folge war, dass nicht nur ein Fan verhaftet wurde. Jetzt, nach dem das Fan-Projekt aufgebaut worden ist, sprechen die Fans mit Hagel, die sich bemüht, die Konflikte zu lösen. Die Sicherheitskräfte verstünden oft die nonverbale Sprache der Fußballfans nicht. Sie schätzten die Situation falsch ein und verschlimmerten die Lage, wenn sie versuchten, Konflikte mit dem Schlagstock zu lösen.

Finanziert wird das Fan-Projekt je zu einem Drittel vom Land Hessen, der DFL und der Stadt Offenbach. „Ohne die finanzielle Unterstützung der Länder können Fan-Projekte nur sehr schwer arbeiten“, sagt Hagel. Auch wenn Fan-Projekte kein Derby in ein Freundschaftsspiel verwandelten, hülfen sie, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit einzudämmen, sagt Hagel. Sachsen täte daher besser das Leipziger Fan-Projekt ausbauen, statt sich ratlos aus der Verantwortung zu ziehen.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/kickers_offenbach/?em_cnt=1074264